Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Die Tage werden länger und trister. Grund genug, musikalisch dagegen vorzugehen, damit eine ausgewachsene Herbstdepression erst gar keine Chance hat. Mein neues Mixtape des Monats bietet deswegen eine ausgewogene Mischung aus gut dosierter Novembermelancholie, nach vorne gehenden Stimmungsaufhellern und auch ein paar meiner All-Time-Favourites.
Der Herbst ist traditionell eine gute Zeit für neue Musik. In Vorbereitung auf das Weihnachtsgeschäft, erscheint zwischen September und November immer sehr viel neue Musik. Das war auch dieses Jahr so, deswegen kommt der November-Mix im XXL-Format daher: 27 Songs, so lang war bisher noch keines meiner Mixtapes.
Den Anfang machen meine Lieblings-Emo-Folker The Front Bottoms. Ihr neues Album „Going Grey“ klingt nicht mehr ganz so schrammelig verschroben wie in vergangenen Tagen. Dafür sind die Songs klarer produziert und auch ein paar Synths kommen zum Einsatz. Trotzdem sind die Jungs aus New Jersey charmant wie eh und je. Überzeugt euch selbst mit den beiden Tracks „You Used To Say (Holy Fuck)“ und „Peace Sign“.
Emo und Synthesizer? Da denke ich unweigerlich auch an Enter Shikari. Was ein Zufall: Auch von den verrückten Briten ist ein neues Album draußen. Und es ist ihr bisher bestes! Etwas weniger Kirmes, etwas mehr Pop. Deswegen gibt es auch von „The Spark“ direkt zwei Songs auf dem neuen Mixtape. Neben dem Titeltrack habe ich die wirklich sehr überzeugende Single „Live Outside“ ausgesucht. Das dazugehörige Video erinnert in cooler B-Movie-Manie an bekannte Sci-Fi-Dystopien:
Auch die Marmozets arbeiten an einem neuen Album, das Debüt fand ich brutal stark. Als Vorgeschmack gibt es jetzt mit „Habits“ einen weiteren neuen Song. Geht musikalisch in Richtung Emo-Pop-Punk. Frontfrau Becca Macintyre schreit weniger als auf alten Tracks. Der Chorus ist ein cheesy Ohrwurm, trotzdem geht das Ganze noch gut nach Vorne mit ein paar knallenden Gitarrenriffs – ich freue mich auf mehr.
Deutlich nachdenklicher und ruhiger ist der Sound von Tom Walker aus Schottland. Sein Track „Leave A Light On“ verbindet soulige Vocals, Pianoklänge und leichte elektronische Einflüsse. Ein richtig schöner Herbstsong.
Der Herbst ist für mich als passionierten Konsolenfußballer immer eine spannende Zeit, denn dann erscheinen alljährlich die neuen Ausgaben von Fifa und Pro Evolution Soccer. Eine der größten Stärken von Fifa ist der stets hervorragend kuratierte Soundtrack. Dieses Mal habe ich dort zum Beispiel Mondo Cosmo mit „Automatic“ entdeckt. Groovende Hymne!
Bereits im Sommer habe ich vom zuckersüßen Indie-Pop von Husky geschwärmt. Ihren Song „Splinters In The Fire“ gibt es jetzt nochmal in einer schönen Akustikversion. Auch FIL BO RIVA war dieses Jahr schon auf einem meiner Mixtapes vertreten. Jetzt hat er den neuen Track „Head Sonata (Love Control)“ rausgehauen. Ich warte weiterhin gespannt auf das Debütalbum. Ein Veröffentlichungstermin dafür ist aber noch nicht bekannt.
Zum ersten Mal auf dem Mixtape des Monats dabei und auch noch ziemlich jung ist Sam-Vance Law. Seine Homo-Hymne „Prettyboy“ bietet äußerst charmanten Kammerpop. Produziert wurde der Track übrigens unter anderem von Konstantin Gropper von Get Well Soon und das hört man auch. Das erste Album des Wahlberliners wird passenderweise „Homotopia“ heißen und soll nächstes Jahr im Frühjahr erscheinen. Das könnte eine ziemlich große Nummer werden.
„A Black Mile To The Surface“ heißt das aktuelle, bereits Ende Juli erschienene Album von Manchester Orchestra. Eine nahezu perfekte Stunde Musik zwischen Indie-Folk, Emo und Alternative Rock. Wirklich jeder Song ist ein kleiner Hit für sich. Viele von ihnen sind kunstvoll miteinander verwoben, fast wie bei einem Konzeptalbum. So auch „The Sunshine“ und „The Grocery“, die untrennbar zueinander gehören. Weil ich die Band vor ein paar Wochen in Köln gesehen habe und das Album an dieser Stelle noch nicht ausreichend gewürdigt wurde, habe ich die beiden Songs in das Mixtape des Monats aufgenommen.
Auch Weezer habe ich vor ein paar Wochen endlich mal wieder live gesehen. Das erste Mal seit 16 Jahren, damals hatte ich noch nicht mal einen Führerschein. Rivers Cuomo und Co. waren allerdings auch über zehn Jahre nicht in Deutschland. Das hat die Sache natürlich erschwert. Ein bisschen enttäuscht war ich deshalb, dass die Show nach 75 Minuten bereits wieder vorbei war. Und auch das neue Weezer-Album „Pacific Daydream“ ist nach zuletzt zwei starken Platten mal wieder ein ziemlicher Griff ins Klo. Die Ausnahme bildet allerdings „Weekend Woman“. Ein wirklich feiner Popsong!
Beim Thema Comebacks von alten Jugendhelden möchte ich auch Billy Corgan nicht vergessen. Der Gute ist jetzt unter seinem kompletten Namen William Patrick Corgan solo unterwegs. Ich habe seinen Song „Aeronaut“, eine schöne Klavierballade, ausgesucht. Und um in Erinnerungen zu schwelgen mit „Stand Inside Your Love“ direkt noch einen alten Smashing-Pumpkins-Klassiker drangehängt.
Ebenfalls nach längerer Pause wieder da: Franz Ferdinand, in neuer Besetzung und mit neuer Single „Always Ascending“. Und auch The Wombats wollen es nach ihrem eher schwachen letzten Album noch einmal wissen und haben mit „Lemon To A Knife Fight“ einen neuen Song am Start.
Unter die Kategorie „Ältere Männer, die es noch einmal wissen wollen“ fallen sicher auch Kettcar. Oder wie sie letztens von einer Kollegin bezeichnet wurden: Das singende Lehrerzimmer. Die Hamburger um Marcus Wiebusch haben nach sechs Jahren endlich ihr neues Album „Ich vs. Wir“ rausgebracht. Das bereits vorab veröffentlichte „Sommer ’89“ erzählt die Geschichte von einem Typen, der auswanderungswilligen DDR-Bürgern an der österreichisch-ungarischen Grenze zur Flucht verhalf. Eine packende Geschichte und richtig gutes Storytelling. Deutscher Indie-Rock mit Message, so wie man es von Kettcar erwartet.
Noch länger als bei Kettcar mussten die Fans allerdings auf das neue Album von Gisbert zu Knyphausen warten. Nach fast acht Jahren ist nun „Das Licht dieser Welt“ erschienen. Ich habe mich entschieden, den Song „Sonnige Grüße aus Khao Lak, Thailand“ dem Mixtape hinzuzufügen. Der gute Laune verheißende Titel ist aber irreführend. Gisbert ist natürlich ein großer Melancholiker und so gehört auch dieser Song eher zur herbstlichen Seite des aktuellen Mixes.
Genauso wie die Songs von RY X („Bad Love“), All The Luck In The World („Golden October“) und SCHWARZ („In Your Eyes“). Und dann habe ich noch zwei alte Herbstklassiker ausgegraben, auf die ich einfach mal wieder Bock hatte: Athlete mit „Wires“ und Feeder mit „Yesterday Went Too Soon“. Da werde ich dann selbst melancholisch und schwelge in Erinnerungen. Aber nur in guten, schließlich ist es ja ein Anti-Herbstblues-Mix!
Lust auf weitere Mixtapes aus 2017? Dann hier entlang:
August 2017 – Zeit der Überraschungen
Juni 2017 – Duell der Giganten
Mixtape des Monats: April 2017